2024 müssen die grundversorgten Kundinnen und Kunden voraussichtlich mit weiteren Preisanstiegen rechnen. In den erwarteten Anstieg sind alle zum jetzigen Zeitpunkt bekannten Komponenten des Strompreises eingerechnet: die Energietarife, die Netznutzungstarife für das Übertragungsnetz der Swissgrid inkl. Kosten für die Notfallmassnahmen des Bundes im Winter («Winterreserve»), Abgaben an Kantone und Gemeinden sowie der Netzzuschlag u.a. zur Förderung erneuerbarer Energien. Noch nicht bekannt sind die Netznutzungstarife für das Verteilnetz, auch hier ist teilweise mit höheren Kosten zu rechnen. Die Netznutzungstarife unterscheiden sich je nach Grundversorger, sie werden von verschiedenen Faktoren beeinflusst, u.a. von der Topografie des Verteilnetzgebiets und den jeweils getätigten Investitionen in das Verteilnetz. Für die Transformation des Energiesystems müssen auch die Stromnetze um- und ausgebaut werden, wofür grosse Investitionen notwendig sein werden.
Stiegen die Strompreise 2023 im Median um 27% (+6 Rp./kWh), geht der VSE gemäss der diesjährigen Strompreis-Umfrage bei seinen Mitgliedern davon aus, dass die Stromtarife 2024 im Median um gut 12% erhöht werden müssen (+3 Rp./kWh). Somit dürften die Hälfte der Grundversorgungsunternehmen ihre Strompreise um 12% oder mehr erhöhen. Was diese Strompreiserhöhung in absoluten Zahlen bedeuten würde, hängt von der jeweiligen Ausgangslage bzw. den aktuellen Tarifen der einzelnen Grundversorger ab. Im Median aber beträgt der erwartete Strompreis 2024 für einen typischen Haushalt (H4) knapp 30 Rp./kWh (2023: 27.2 Rp./kWh). Die 12%-Strompreiserhöhung stellt eine erste Einschätzung dar. Sie basiert auf Rückmeldungen von 135 Mitgliedern. Die grössten Grundversorgungsunternehmen haben an der VSE Strompreis-Umfrage teilgenommen. Die definitiven Zahlen mit allen Komponenten werden Ende August bekannt sein.
Wieso steigt der Strompreis erneut?
Einerseits trägt die anhaltende Energiekrise massgeblich dazu bei. Die Strompreise am Grosshandelsmarkt sind 2021 unter anderem aufgrund von höheren Brennstoff- und CO2-Preisen, historisch niedrigen Füllständen in den Gasspeichern sowie Kraftwerksausfällen und -abschaltungen massiv angestiegen. Mit dem Krieg in der Ukraine und der europaweiten Trockenheit verschärfte sich die bereits angespannte Preissituation weiter und erreichte im August 2022 historische Höchstwerte. Die Versorger mussten trotz der sehr hohen Preise Energie für das Jahr 2024 und die Folgejahre einkaufen. In der Zwischenzeit hat sich die Preissituation zwar etwas entspannt, die Marktpreise sind verglichen mit den Jahren vor 2021 aber weiterhin überdurchschnittlich hoch. Die kurz- und mittelfristige Entwicklung ist ungewiss, zumal die europäische Energiekrise noch nicht ausgestanden ist.
Andererseits hat der Bund 2022 die «Winterreserve» (Wasserkraftreserve, Reservekraftwerke, Notstromgruppen) geschaffen, um die Stromversorgung im Winter 2022/2023 zu gewährleisten. Die Kosten für diese Notfallmassnahmen fliessen 2024 erstmals in den Netznutzungstarif des Strompreises ein und tragen damit auch zum Strompreisanstieg bei.
Wieso unterscheiden sich die Strompreise je nach Grundversorgungsunternehmen?
Die Strompreise der über 600 Grundversorgungsunternehmen sind abhängig davon, ob und wieviel Strom der Grundversorger in eigenen Produktionsanlagen produziert und/oder ob er den Strom am Grosshandelsmarkt und/oder direkt bei einem Stromproduzenten einkauft. Aber nicht nur wo, sondern auch wie der Grundversorger Strom am Markt einkauft, beeinflusst den Strompreis. Also ob kurz- oder langfristig und in wie vielen Tranchen.
Vier von fünf EVU beziehen ihren Strom grossmehrheitlich am Markt, die anderen hauptsächlich aus Eigenproduktion. Rund 75% der EVU, die grossmehrheitlich am Markt einkaufen, beschaffen den Strom langfristig, also zwei bis drei Jahre im Voraus. Die anderen 25% kaufen den Strom entweder mittelfristig oder als Kombination aus kurz-, mittel- und langfristiger Beschaffung.
Grundversorger, die über keine oder wenig Eigenproduktion verfügen und den Strom ihrer grundversorgten Endkundinnen und Endkunden mehrheitlich am Markt beschaffen, sind stark von der Marktentwicklung betroffen und müssen die hohen Preise der vergangenen zwei Jahre weiterverrechnen. Ihre Kundinnen und Kunden profitierten dafür in den Jahren vor 2021 von sehr tiefen Beschaffungspreisen. Grundversorger mit viel Eigenproduktion sind hingegen weniger von Marktentwicklungen betroffen und können ihren Kundinnen und Kunden vergleichsweise stabile Strompreise bieten, resp. sie verzeichnen moderatere Erhöhungen bzw. Senkungen.
Doch nicht nur die Preise für die Energie, sondern auch für die Netznutzung unterscheiden sich wie bereits erwähnt, insbesondere aufgrund unterschiedlicher Topologie der Netzgebiete und notwendiger Investitionen in die Verteilnetze, die für das Energiesystem der Zukunft mit dezentraler Produktion, Elektromobilität usw. bereit sein müssen. Einheitlich sind hingegen die Tarife für das Übertragungsnetz und die Kosten für die «Winterreserve».
Was können Verbraucher/innen in der Grundversorgung tun, um die Preiserhöhung abzufedern?
Die hohen Preise können dazu animieren, Investitionen in die Energieeffizienz rascher voranzutreiben sowie grundsätzlich Strom und andere Energieträger sparsamer zu verbrauchen. Diese Massnahmen würden sich auch positiv auf die Versorgungssicherheit der Schweiz auswirken, weil eben auch die eingesparten und nicht nur die produzierten Kilowattstunden wertvoll sind.
Wie kommt der Strompreis zustande?
Der Strompreis in der Grundversorgung erfolgt nach klaren gesetzlichen Vorgaben und wird von der Eidgenössischen Elektrizitätskommission ElCom überwacht. Bis Ende August müssen die Grundversorger der ElCom ihre definitiven Tarife für das Folgejahr bekannt geben.
Wie der Strompreis in der Grundversorgung zustande kommt, was ihn beeinflusst und wieso er sich regional unterscheidet, erfahren Sie im Erklärvideo.
Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen
Bild: unsplash.com